Thema: Open Innovation

Magazin: planet (Lufthansa Cargo)

 

  

Textauszug

 

MIT DER WELT VERNETZT

(Originalfassung)

 

Das vielleicht kleinste Labor eines Weltkonzerns liegt in Roseto degli Abruzzi an der Adria. Wenn ihr langweilig ist, schafft Giorgia Sgargetta Erlenmeyerkolben und Bunsenbrenner vom Dachboden heran und macht sich in ihrer Küche daran, bisher ungelöste Forschungsnüsse zu knacken. Ihre Aufträge für die Zeit nach Feierabend findet die Qualitätsmanagerin auf der Internetplattform InnoCentive. Löst sie die Forschungsaufgabe von Procter & Gamble, winkt ein bis zu fünfstelliges Honorar. Andere Freizeitinnovatoren machen sich Gedanken über Uhrendesign und Vermarktungsstrategien für Duschgel, BMW sammelt Ideen für das Motorrad der Zukunft und die Hoffmann Neopac AG fragt die Community nach neuen Anwendungsbereichen für bedruckte Blechteile.    

 

Zwar gibt es Ansätze internetgestützten crowd sourcings bereits in den 90er Jahren, aber die Manager-„Generation-Facebook“ erweist sich heute mehr und mehr als Turbo für die digitale Ideenbörse. Zu den Pionieren des Innovationsmanagements 2.0 gehört die Münchener Agentur Hyve (siehe Infokasten). „Antrieb unserer Arbeit sind erfolgreiche, kundenzentrierte Innovationen“, sagt CEO Dr. Johann Füller, der das Unternehmen vor zehn Jahren gegründet hat. „Für unsere Kunden binden wir externe Spezialisten in den Entwicklungsprozess ein, machen Communities im Internet mit Hilfe eines geeigneten Dialoges zu Mitentwicklern.“

 

Kundenintegration als Ziel

 

Seit Mai dieses Jahres ist Hyve Partner von Lufthansa Cargo. Gemeinsam möchte man ein Open-Innovation-Projekt für die Kunden der Lufthansa Cargo auf den Weg bringen: Kunden der Lufthansa Cargo können sich dann auf einer neuartigen Internetplattform untereinander und mit Lufthansa Cargo über Innovationen des Produktportfolios austauschen. „Lufthansa Cargo vollzieht hier den Schritt von der Kundenorientierung zur Kundenintegration“, erklärt Johann Füller. Das Flop-Risiko zu senken, Prozesse kundengerecht zu entwickeln und einfach schneller als bisher neue Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können: Das sind die zentralen Ziele, die Lufthansa Cargo mit ihrem Pilotprojekt Open Innovation verfolgt.

 

Webgestützte Innovationskultur ist auf dem besten Weg zum globalen Trend. Möglich wurde Open Innovation erst durch moderne Informations- und Kommunikationstechnologie, die einen schnelleren Austausch ermöglicht und lediglich überschaubare Kosten verursacht. Innovationsaufgaben sollten sich, so das Credo, im Web 2.0-Zeitalter nicht mehr wenige in den zuständigen Abteilungen beschränken. Unternehmen binden vielmehr Kunden oder eine gezielt zusammengestellte Gruppe von Experten ein und versucht so schneller zu einer besseren Lösung zu kommen.

 

Offene Unternehmenskultur

 

Als Voraussetzung für erfolgreiche Innovationen der Zukunft „braucht’s“, so der Bayer Füller mit rollendem „R“, allerdings mehr als die Fähigkeit, sich in online in Social Networks zu bewegen, sondern vielmehr eine offene Unternehmenskultur: „Unternehmen berauben sich einer großen Chance, wenn sie sich keine Unterstützung von außen holen – und zwar von ihren Kunden, die ja auch Spezialisten in derselben Branche sind – und ihre eigenen Bedürfnisse und Anforderung an logistische Prozesse am besten kennen.“

 

Open Innovation funktioniert bereits bei Designlösungen für Konsumgüter - oder bei ortsungebundenen Chemie-Experimenten. Die Luftfrachtbranche steht dagegen noch am Anfang einer neuen Ära ihrer Kundenbeziehungen. Ab November hebt das Pilotprojekt der Lufthansa Cargo mit einem webgestützten Ideenwettbewerb ab. Dabei wird es um die weitere Verbesserung bestehender Lösungen und die kundenintegrierte Entwicklung neuer Produkte gehen. Angestrebt ist eine durchlässige Lösung, die natürlich verlinkt ist mit den wichtigsten Social-Media-Netzwerken: Teilnehmer des Contests können sich zum Beispiel auch mit ihrem Facebook-Profil auf der Ideenplattform anmelden.

 

Für die Kunden der Lufthansa Cargo sehen Kommunikationsexperten wie Johann Füller hier die große Chance, Innovationsprozesse mit anzustoßen, Ideen einzubringen, die dem Unternehmen und seinen eigenen Kunden am Ende nützen. Aber natürlich weiß der Agenturchef auch, dass hier noch eine Menge Überzeugungsarbeit zu leisten ist. „Wir müssen uns von dem Denken verabschieden, dass Unternehmen einzig im Sinn haben, so viel Profit wie möglich mit ihren Kunden zu machen. Das ist Old School. Heute muss man sagen: Wenn es meinem Kunden gut geht, geht es mir auch gut.“

 

Die vielerorts noch gehegte Befürchtung, dass es am Ende eher schadet als nützt, eigene Ideen öffentlich zu diskutieren, lässt Johann Füller deshalb auch nicht gelten. „Ideen gehören im Web 2.0-Zeitalter allen. Ich kenne keinen Fall, wo es sich auf Dauer als richtig erwiesen hat, eine tolle Idee für sich zu behalten.“ Schon gar nicht, wenn sie in einer Küche in den Abruzzen entstanden ist.

 

© Christoph Schomberg